Zum Inhalt

Marx → Zitate

1. Philosophie

Wahrheit als praktische, nicht als scholastische Frage

»Die Frage, ob dem menschlichen Denken – gegenständliche Wahrheit zukomme – ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit i.e. Wirklichkeit u. Macht, Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit od. NichtWirklichkeit des Denkens – das von der Praxis isolirt ist, – ist eine rein scholastische Frage.« Thesen über Feuerbach (1845/1888), Nr. 2
MEGA IV.3, 20 / MEW 3, 5

1.1. Religionskritik

Verwandlung der Kritik der Theologie in die Kritik der Politik

»Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben, oder schon wieder verloren hat. Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Societät. Dieser Staat, diese Societät produziren die Religion, ein verkehrtes Weltbewußtsein, weil sie eine verkehrte Welt sind. Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, ihr encyklopädisches Compendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spiritualistischer Point-d’honneur [scil. Ehrenpunkt/-sache], ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen eine Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist. Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüth einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.
Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammerthales, dessen Heiligenschein die Religion ist. Die Kritik hat die imaginairen Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte, wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine wirkliche Sonne bewege. Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, so lange er sich nicht um sich selbst bewegt.
Es ist also die Aufgabe der Geschichte, nachdem das Jenseits der Wahrheit verschwunden ist, die Wahrheit des Diesseits zu etabliren. Es ist zunächst die Aufgabe der Philosophie, die im Dienste der Geschichte steht, nachdem die Heiligengestalt der menschlichen Selbstentfremdung entlarvt ist, die Selbstentfremdung in ihren unheiligen Gestalten zu entlarven. Die Kritik des Himmels verwandelt sich damit in die Kritik der Erde, die Kritik der Religion in die Kritik des Rechts, die Kritik der Theologie in die Kritik der PolitikZur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung (1844)
MEGA I.2, 170f. / MEW 1, 379

Kategorischer Imperativ

»Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem categorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist, Verhältnisse, die man nicht besser schildern kann, als durch den Ausruf eines Franzosen bei einer projektirten Hundesteuer: Arme Hunde! Man will euch wie Menschen behandeln!« Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung (1844)
MEGA I.2, 177 / MEW 1, 385

2. Kritik der politischen Ökonomie (Ökonomiekritik)

2.1. Analyse von Ware, Wert und Arbeit

Doppelcharakter der in der Ware enthaltenen Arbeit

»Ursprünglich erschien uns die Waare als ein Zwieschlächtiges, Gebrauchswerth und Tauschwerth. Näher betrachtet wird sich zeigen, daß auch die in der Waare enthaltene Arbeit zwieschlächtig ist. Dieser Punkt, der von mir zuerst kritisch entwickelt wurde, ist der Springpunkt, um den sich das Verständniß der politischen Oekonomie dreht.« Das Kapital, Band I (1867/1890)
MEGA II.5, 22 / MEGA II.10, 43 / MEW 23, 56

2.2. Ausbeutung

Schaffung eines Staatsgesetzes zum Schutz der Ausbeutung der Arbeiter:innen

»Man muß gestehn, daß unser Arbeiter anders aus dem Produktionsprozeß herauskömmt als er in ihn eintrat. Auf dem Markt trat er als Besitzer der Waare ›Arbeitskraft‹ andern Waarenbesitzern gegenüber, Waarenbesitzer dem Waarenbesitzer. Der Kontrakt, wodurch er dem Kapitalisten seine Arbeitskraft verkaufte, schien durch den freien Willen von Verkäufer und Käufer vereinbartes Produkt. Nach geschloßnem Handel wird entdeckt, daß er ›kein freier Agent‹ war, daß die Zeit, wofür es ihm freisteht seine Arbeitskraft zu verkaufen, die Zeit ist, wofür er gezwungen ist sie zu verkaufen, daß in der That sein Sauger nicht losläßt, ›so lange noch ein Muskel, eine Sehne, ein Tropfen Bluts auszubeuten‹. Zum ›Schutze‹ gegen die Schlange ihrer Qualen müssen die Arbeiter ihre Köpfe zusammenrotten und als Klasse ein Staatsgesetz erzwingen, ein übermächtiges gesellschaftliches Hinderniß, das sie selbst verhindert, durch freiwilligen Kontrakt mit dem Kapital sich und ihre Generation in Tod und Sklaverei zu verkaufen. An die Stelle des prunkvollen Katalogs der ›unveräußerlichen Menschenrechte‹ tritt die bescheidne Magna Charta eines gesetzlich beschränkten Arbeitstags, die ›endlich klar macht, wann die Zeit, die der Arbeiter verkauft, endet, und wann die ihm selbst gehörige Zeit beginnt‹.« Das Kapital, Band I (1867/1890)
MEGA II.5, 240f. / MEGA II.10, 272 / MEW 23, 319f.

2.3. Sozialismus und Kommunismus

Freie Entwicklung eines jeden als Bedingung für die freie Entwicklung aller

»An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.« Manifest der Kommunistischen Partei (1847/48)
MEW 4, 482

Verein freier Menschen, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten

»Stellen wir uns endlich, zur Abwechslung, einen Verein freier Menschen vor, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre vielen individuellen Arbeitskräfte selbstbewußt als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben. Alle Bestimmungen von Robinson’s Arbeit wiederholen sich hier, nur gesellschaftlich, statt individuell. Alle Produkte Robinson’s waren sein ausschließlich persönliches Produkt und daher unmittelbar Gebrauchsgegenstände für ihn. Das Gesammtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Theil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Er bleibt gesellschaftlich. Aber ein anderer Theil wird als Lebensmittel von den Vereinsgliedern verzehrt. Er muß daher unter sie vertheilt werden. Die Art dieser Vertheilung wird wechseln mit der besondren Art des gesellschaftlichen Produktionsorganismus selbst und der entsprechenden geschichtlichen Entwicklungshöhe der Producenten. Nur zur Parallele mit der Waarenproduktion setzen wir voraus, der Antheil jedes Producenten an den Lebensmitteln sei bestimmt durch seine Arbeitszeit. Die Arbeitszeit würde also eine doppelte Rolle spielen. Ihre gesellschaftlich planmäßige Vertheilung regelt die richtige Proportion der verschiednen Arbeitsfunktionen zu den verschiednen Bedürfnissen. Andrerseits dient die Arbeitszeit zugleich als Maß des individuellen Antheils des Producenten an der Gemeinarbeit und daher auch an dem individuell verzehrbaren Theil des Gemeinprodukts. Die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zu ihren Arbeiten und ihren Arbeitsprodukten bleiben hier durchsichtig einfach in der Produktion sowohl als in der Distribution.« Das Kapital, Band I (1867/1890)
MEGA II.10, 77f. / MEW 23, 92f. / MEGA II.5, 45f.

Kommunismus als positive Aufhebung des Privateigenthums, als menschlicher Selbstentfremdung und darum als wirkliche Aneignung des menschlichen Wesens

»Der Communismus als positive Aufhebung des Privateigenthums, als menschlicher Selbstentfremdung und darum als wirkliche Aneignung des menschlichen Wesens durch und für d[en] Menschen; darum als vollständige, bewußt und innerhalb des ganzen Reichthums der bisherigen Entwicklung gewordne Rückkehr des Menschen für sich als eines gesellschaftlichen, d.h. menschlichen Menschen. Dieser Communismus ist als vollendeter Naturalismus = Humanismus, als vollendeter Humanismus = Naturalismus, er ist die wahrhafte Auflösung des Widerstreits des Menschen mit der Natur und mit d[em] Menschen, die wahre Auflösung des Streits zwischen Existenz und Wesen, zwischen Vergegenständlichung und Selbstbestätigung, zwischen Freiheit und Nothwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung. Er ist das aufgelöste Räthsel der Geschichte und weiß sich als diese Lösung.« Ökonomisch-philosophische Manuskripte (1844)
MEGA I.2, 389 / MEW 40, 536

Kommunismus als Ideal und Bewegung

»Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben [wird]. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt. Die Bedingungen dieser Bewegung ergeben sich aus der jetzt bestehenden Voraussetzung.« Die deutsche Ideologie (1845/46)
MEW 3, 35